Die Kunst der Einfachheit

Vollkommenheit entsteht nicht dann, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern wenn man nichts mehr weg lassen kann.

Antoine de Saint Exupéry

nautilus.jpg

Weglassen oft schwieriger als man denkt

Bei meiner Entwürfsarbeitist es oft so, dass ich in einen wahren Farben- und Formenrausch verfalle. Das steigert sich bis zu einer schon fast euphorischen Begeisterung. Dieses Gefühl lässt aber relativ schnell nach und kehrt sich dann sukzessive um – dann finde ich alles zu viel, zu überladen. Es die folgt die Phase der Zerknirschung in der ich anfange alles Überflüssige wegzustreichen und auf das Wesentliche zu reduzieren. Dieser Vorgang wiederholt sich oft zwei bis drei Mal, oszilliert mit immer kleiner werdenden Amplituden, so lange bis die ausgeglichene Nullinie erreicht ist. Manchmal ein ganz schöner Nertvenkitzel. Ich warte auf den Tag, an welchem es mir gelingt mit einem Strich anzusetzen und das perfekte Design in einem Zug samtweich auf den Monitor zu legen.

Einfach perfekt

Es liegt wohl in der Natur des Menschen immer nach Vollkommenheit zu streben, das Perfekte zu lieben, das Harmonische, das Ausgeglichene, das nicht zu viel und nicht zu wenig. Einmal abgesehen davon, dass ich übertriebenen und mit aller Gewalt betriebenen Perfektionismus keinesfalls für erstrebenswert halte – was empfinden wir im Allgemeinen und im Webdesign im Besonderen als vollkommen, als perfekt?

Das ist, im wahrsten Sinne des Wortes, einfach einfach.
Dinge, die auf uns ästhetisch und stilvoll wirken, sind oft einfach.

Gutes Webdesign bzw. Webseiten die ich als vorbildlich empfinde, sind auch immer einfach, was nicht heißt, dass sie schmucklos oder langweilig sind. Einfachheit ist nicht gleichzusetzen mit Minimalismus. Einfachheit bedeutet so wenig wie möglich und so viel wie nötig um den Inhalt auch auf visueller Ebene zum Ausdruck zu bringen.

Das ist das Zeitlose, das Klassische, das was immer Bestand hat. Es ist befreit von nutzloser Ornamentik. Design meint nicht Dekorieren ohne Bedacht und Umsicht.

Design ist nicht Dekor

Zum Dekorieren habe ich ohnehin ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits komme ich z.B. kaum an Läden für Wohnaccessoires vorbei oder an Töpfersachen (ganz schlimm) – gibt es da doch wirklich so viele Dinge, die ich so gerne anschaue, Dinge, die durch ihre Einfachheit bestechen. Meist bleibt es aber beim Anschauen, denn : würde ich all die Dinge kaufen, die mich in solchen Läden ansprechen, hätte ich daheim nichts Schönes mehr, sondern einen chaotisch zusammengewürfelten Trödelladen.

Ich glaube, dass wir Menschen uns immer in einem Zwiespalt befinden und dass das Weglassen und das Konzentrieren auf das Wesentliche viel schwieriger ist, als das Anhäufen. Das Sammeln und Jagen, das Habenwollen liegt eben auch in unserer Natur.

Das Design einer Seite will immer den Inhalt unterstützen, zielstrebig zu ihm hinführen. Bilder und Farben sprechen in ihrer eigenen Sprache. Wenn man zu viel davon auf einer Seite anhäuft ist ergibt sich eine nicht definierbare Geräuschkulisse, die Seite wird laut und geschwätzig, alle reden durcheinander und man kann nichts mehr verstehen. Die eigentliche Botschaft geht in einem verwaschenen Gemurmel unter.

Einfach, klar und deutlich zu bleiben ist aber alles andere als einfach.

foto: istockphoto | harrzack