Was ist eine schöne Webseite?

Fragt man hierzu 5 Leute, wird man wohl auch fünf unterschiedliche Antworten bekommen. Ich habe im Netz schon die kühne Behauptung gelesen, dass ja Webseiten eigentlich nicht viel Design benötigen, das wäre alles überflüssiger Schnickschnack. Andersrum kommen Menschen zu mir eben weil sie besonderen Wert darauf legen. Wieder andere meinen, dass sie „minimalistische Designs“ bevorzugen und befinden jede Webseite, die einen weißen Hintergrund hat und zwei farbige Linien als puristisch – cool.

Interessanterweise gibt es in der Architektur ganz ähnliche Diskussionen und die immerwährende Auseinandersetzung ob ein Bauwerk nun „schön“ ist. Und interessanterweise gibt es Architekten, die sich einem bestimmten Stil verschrieben haben, aber das sieht oft nur so aus, denn gerade bei funktionalen Erscheinungsbildern von Architektur entwickelt sich die Fassade aus dem Innenleben. Einen Eingang betont man als Eingang d.h. man macht ihn groß und weit damit erkkennbar wird wo es hineingeht, Fensterflächen sind nach Süden hin groß damit sie mehr Sonne einfangen können, an der Nordseite macht man sie so klein wie möglich. Dachüberstände auf der Südseite sorgen für eine notwendige Verschattung im Sommer als Schutz für Überhitzung. Gleichzeitig formen diese funktional notwendigen Elemente das Gesicht – das Design – einer Fassade.

Im Webdesign findet man ganz ähnliche funktionale Anforderungen vor. Man legt eine Navigation an ist darum bemüht diese so zu gestalten, dass sich der Inhalt einer Webseite einfach erschließen lässt. Unter Umständen formt man Startseiten aus dem Gedanken einer Sitemap heraus. Man kann zusätzliche Kästen anordnen um auf wichtige Themen hinzuweisen und/oder kleinere Kästen um auch noch auf weniger Wichtiges hinzuweisen. All das ergibt sich aus der Struktur der Inhalte, aus deren hierarchisch gegliederten Bedeutungen. Visuelles Design mach diese Bedeutung erfassbar und darüberhinaus spiegelt sich die Bedeutung bei einer Webseite auch durch eine sinnvolle Auszeichnung im Quelltext wieder. Sollte es zumindest. Bleibt man hier ganz eng an der Bedeutung oder besser gesagt an der Relevanz der Inhalte und fügt nur so viel an Farbe, Unterstreichungen, Abständen hinzu, dass die Bedeutung dadurch visualisiert und erfahrbar gemacht wird, dann würde ich sagen, dass das ein puristisches Design ist. So wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet würde ein Design wirklich nicht mehr brauchen, wenn da nicht die Sache mit der Schönheit wäre und die Sache mit der Werbung und dem emotionalen Aufladen, denn Webseiten werden u.a. ja auch dazu genutzt um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu verkaufen. Auch das kennt man in der Architektur: Manche Gebäude haben eine repräsentative Aufgabe. So z.B. wäre es wenig vertrauenserweckend hochwertige und teure Produkte in einem Hinterhofladen anzubieten. Kommt daher dem Design einer Webeite eine solche Aufgabe zu, muss man als Designer einer runterkommen von seinen persönlichen Vorlieben und sich in die jeweiligen Welten reindenken und reinfühlen können und danach schauen, was über die funktional notwendigen Elemente hinaus hinzugefügt werden kann oder muss um auch emotional einen Eindruck zu hinterlassen. Und dabei geht es sicherlich nicht nur darum, dass man ein paar attraktive Blümchenbilder auf die Seite klebt.

Einen interessanten Artikel hierzu fand ich bei brandeins:

Technisch reproduzieren kann über kurz oder lang jeder gleich gut. Die Frage ist, wie das Endprodukt vom Kunden interpretiert wird.“ In der Kunsttheorie nennt man diesen Vorgang Aufladung, das ist der jeweilige Sinn, der einem Kunstwerk eigen ist. Vorhandenes, Alltägliches bekommt einen neuen Sinn. Schönheit wird wieder das, was sie immer sein sollte – natürliche Schönheit, die fragt: Was bedeute ich für dich? Dieser Prozess braucht Sinnstifter, die Seeleneinhaucher, die Walter Gropius meint. Menschen, die aus ganz gewöhnlichen Dingen etwas Besonderes machen können. Das steckt, sagt Martin Tröndle, dahinter, wenn „Modehäuser wie H&M nicht einfach nur T-Shirts verkaufen, sondern auf ihrer Homepage die Hintergründe der Produktion, die Herkunft der Baumwolle, das Leben der Pflücker in China und den USA erklären“.

Wer verstehen möchte, dass die Gestaltung einer Webseite, die über das funktionale Design hinausgeht, mehr ist, als hirnlose Dekoration oder der plötzliche Gefühlsausbruch eines Designers mag sich den ganzen Artikel vielleicht einmal durchlesen:

brandeins : „Das Schöne und das Gute“

2 Gedanken zu „Was ist eine schöne Webseite?“

  1. Schöner Artikel, gute Ansätze.

    Zwei Dinge möchte ich gerne noch loswerden:

    1. Geschmack ist Geschmacksache – auch im Netz. Allerdings gibt es einfach Dinge, die man einhalten sollte. Der Usability sei Dank!

    2. Der Link zu brandeins funktioniert leider nicht.

    Gruß Markus

  2. Was ich will, ist eigentlich immer weg von dieser Diskussion um den Geschmack. Es ist doch ok, wenn dir oder mir manche Webseiten gefallen, andere nicht. Aber was beurteile ich denn dabei wenn ich sage „schön“? Ich kann sagen, ob es mich anspricht und mich verleitet nach dem ersten Blick tiefer einzusteigen und mich auch mit den Inhalten zu beschäftigen, ob es mich positiv einnimmt, ob es einen guten Eindruck hinterlassen hat. Und wenn ich dann zu der anvisierten Zielgruppe gehöre, dann hat das Design seinen Zweck erfüllt. Das Design erzeugt Emotionen – solche und solche. Diese Emotionen durch Einsatz von Formen und Farben gezielt hervorzurufen und dabei authentisch zu bleiben ist ein Wagnis und eine Herausforderung.

    Der Link geht aber doch??

Kommentare sind geschlossen.